Psychosoziale Versorgung bei seltenen Erkrankungen: Projekt Booster NAP.se

12. Dezember 2023

Beim diesjährigen Kongress für Seltene Erkrankungen wurden erste Ergebnisse aus dem Pro Rare Austria Projekt Booster NAP.se präsentiert. Zur Aufzeichnung der Vorträge kommen Sie hier.

Auch wenn seltene Erkrankungen sehr unterschiedlich sind, bringen sie für die Patient:innen und ihre Familien geteilte Erfahrungen und Belastungsfaktoren mit sich. Bei einer im Rahmen des Projektes Booster NAP.se von Pro Rare Austria durchgeführte Online-Befragung konnten Einblicke in die Situation rund um psychosoziale Versorgung bei seltenen Erkrankungen in Österreich gegeben werden. Insgesamt haben 73 Personen den Online-Fragebogen vollständig beantwortet, davon waren etwa die Hälfte selbst betroffen, die andere Hälfte Angehörige einer Person mit einer seltenen Erkrankung. Zusätzlich wurden vertiefende Interviews geführt.

Wie stark ist psychosoziale Versorgung in die medizinische Versorgung integriert?

Etwa ein Fünftel der befragten Personen gibt an, innerhalb der medizinischen Versorgung ein psychosoziales Angebot erhalten zu haben, z.B. psychologische Unterstützung. Insgesamt ist allerdings festzuhalten, dass mehr als die Hälfte der befragten Personen im Rahmen der medizinischen Versorgung keine psychosoziale Unterstützung erhalten haben und auch nicht dazu informiert wurden. Durchwegs ist festzuhalten, dass der Bedarf zu psychosozialem Angebot bei mehr als der Hälfte der Befragten nicht erfüllt wurde.

Die Erfahrungen mit psychosozialen Angeboten – so in Anspruch genommen – werden allerdings weitgehend als positiv beschrieben. Die Mehrheit der Umfrageteilnehmenden hat positive Auswirkungen erlebt, und sogar 90% würden erneut ein psychosoziales Angebot in Anspruch nehmen.

Wie werden psychosoziale Angebote finanziert? (Zum Vergrößern auf das Bild klicken)

Auch wenn viele Personen zumindest kleine Zuschüsse der Krankenkasse erhalten, ist die Finanzierung ein Bereich, mit dem nur 10% der Befragten zufrieden sind. Finanzielle Aspekte waren bei 22% ein Grund, ein psychosoziales Angebot nicht anzunehmen oder fortzusetzen. Dazu kommt, dass viele sich schlecht zu Finanzierungsmöglichkeiten informiert fühlen.

Eine wichtige Anlaufstelle für Menschen mit seltenen Erkrankungen bieten Selbsthilfegruppen. Zumindest 40% wurden laut Umfrage im Rahmen der medizinischen Behandlung an eine indikationsspezifische Selbsthilfegruppe oder Patient:innenorganisation verwiesen. Die Teilnahme an den Organisationen zeigt positive Wirkung: Insbesondere werden das Engagement der Selbsthilfe für verbesserte medizinische Versorgung und Bewusstseinsbildung, aber auch die vielseitigen Unterstützungen und Informationen und das Gemeinschaftsgefühl hervorgehoben. Allerdings kann die Konfrontation mit schwierigeren Krankheitsfällen oder der Zeitaufwand herausfordernd sein.

Belastungsfaktoren & Verbesserungswünsche

Als besonders relevant stellt sich das Verhältnis zu medizinischem Fachpersonal heraus: Nicht ernst genommen werden oder sich nicht ausreichend betreut fühlen kann einen großen Belastungsfaktor bilden. Außerdem ist die hohe Eigenverantwortlichkeit über Koordination der Behandlung bzw. Information über die Erkrankung etwas, das die befragten Personen belastet.


    "Mittlerweile sind wir in guter medizinischer Versorgung. Das war anfangs nicht so. Empathie der
    Spezialisten fehlte, kaum einer kannte die Erkrankung und ich fühlte mich sehr alleine gelassen
    mit der Diagnose."
    "Die psychische Belastung durch unsere Situation war niemandem [bei der Behandlung im
    Krankenhaus] bewusst."
    (Auszüge aus der Befragung und den Interviews)

Im psychosozialen Bereich werden Verbesserungsbedarfe vor allem bei Kostenübernahme, Niederschwelligkeit und dem Mangel an Information gesehen. Sehr wichtig ist es vielen, dass Fachpersonal, z.B. Psycholog:innen oder Therapeut:innen, für chronische bzw. seltene Erkrankungen sensibilisiert sind. Außerdem soll die Therapie auf Augenhöhe stattfinden. Besonders gut wäre auch, dass es Angebote für die ganze Familie gibt – auch für Geschwisterkinder – denn seltene Erkrankungen betreffen meist die ganze Familie.

    "Nach der Diagnose hätte ich wen gebraucht."
    "Aufklärung nicht nur über physiologische Symptomatik, sondern auch über die
    psychische/mentale Symptomatik."
    "Am Anfang, oder irgendwann wenn man sowieso im Krankenhaus ist, wäre es
    wünschenswert (...) einen einfachen Beratungstermin, das muss Pflicht sein."
    (Auszüge aus der Befragung und den Interviews)

Pro Rare Austria ist im weiteren Projektverlauf darum bemüht, Informationen zu psychosozialer Versorgung bei seltenen Erkrankungen zu verbessern und im Rahmen von Öffentlichkeits- und politischer Arbeit Bewusstseinsbildung und neue Angebote (insbesondere auch von den Kassen erstattete Angebote) voranzutreiben. Mehr zum Projekt finden Sie hier.

Aufzeichnungen der Vorträge am Kongress für SE und der Jahrestagung der ÖPPM

  • Die Vorträge der beiden Veranstaltungen sind ab sofort online verfügbar. 12/12/2023

Neue virtuelle Unterstützung für gegenseitigen Austausch verfügbar

  • unrare.me ist eine Social Media App für Menschen mit seltenen/chronischen Erkrankungen oder Behinderungen. 12/10/2023

Kontakt

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